Blendende Aussichten
Der Allgäuer Kombinierer Johannes Rydzek zählt zu den Medaillenhoffnungen in Schweden. Goldkandidaten sind aber vor allem Eric Frenzel und Skispringer Severin Freund
Selbst in seiner Freizeit zieht es Johannes Rydzek nach oben. Zu Bergtouren in seiner Allgäuer Heimat oder eben auf den Turm der Großschanze in Oberstdorf, zu dem er mit unserem Reporter aufbricht. Dort oben, in 44 Meter Höhe, hat man an einem weißblauen Wintertag einen fantastischen Ausblick. Das passt bestens als Einstimmung auf den nahenden Saisonhöhepunkt: Bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft im mittelschwedischen Falun bieten sich dem 23-jährigen Kombinierer vom SC Oberstdorf blendende Aussichten. „Jetzt gilt es, das Erarbeitete umzusetzen“, freut sich der Vize-Weltmeister von 2011 auf den Beginn der 50. Weltmeisterschaft, die zum vierten Mal in Falun stattfindet. Mit markigen Ansagen hält sich Rydzek allerdings zurück: „Für Medaillen braucht man das Glück auf seiner Seite – das ist gerade bei den Winden in Falun wichtig.“ Insgesamt vier Entscheidungen fallen bei den Nordischen Kombinierern. Nach den Einzel-Wettbewerben auf der Normalschanze und der Großschanze will Bundestrainer Hermann Weinbuch die Kandidaten für den Mannschaftswettbewerb und den Teamsprint benennen.
„Mit der Mannschaft haben wir sehr große Chancen auf eine Medaille. Da will ich dabei sein“, sagt Rydzek, der im Vorjahr bei den Olympischen Spielen in Sotschi die bittersten Stunden seiner Karriere erlebte. In der vorletzten Kurve, nach einem Springen von der Großschanze und 9,8 Kilometern in der Loipe kommt es zum dramatischen Fauxpas. Sein Teamkollege Fabian Rießle erwischt ihn im Zweikampf, Rydzek rutscht weg, stürzt und wird um die Medaille gebracht. Am Ende wird er nur Achter. Rießle dagegen holt Bronze. „Die Enttäuschung war riesengroß. Aber ich habe damit abgeschlossen“, sagt der Allgäuer. Seinen Frust kanalisierte er in einen zweiten Platz im Gesamt-Weltcup 2014 hinter Eric Frenzel.
Im Sommer übertrumpfte Rydzek alles Dagewesene: Er gewinnt jedes der fünf Grand-Prix-Springen und legt gleich beim ersten Winter-Weltcup in Ruka (Finnland) mit einem weiteren Sieg nach. „Da waren dann alle Augen auf mich gerichtet“, sagt Rydzek. „Aber im Sprung war ich noch nicht so stabil“, fügt er hinzu. Im Einzel blieben Podestplätze seither aus und die Schlagzeilen dominierte wieder Olympiasieger Frenzel mit sieben Weltcupsiegen. Bei der WM führt wohl kein Weg an dem 30-Jährigen vorbei. Rydzek schöpft aus dem Training mit der Nummer eins Zuversicht: „Wenn man nah an ihm dran ist, kann man in der Weltspitze mithalten.“
In ähnlicher Ausgangslage sehen sich die Skispringer um Frontmann Severin Freund, der sich nach einer verkorksten Vierschanzentournee zur Hochform aufgeschwungen hat. Bei den beiden Einzelentscheidungen gilt der Skiflug-Weltmeister als Goldhoffnung. Zudem sind die DSV-Adler als Team-Olympiasieger im Mannschaftswettbewerb Top-Favorit. Möglicherweise hat dabei mit Michael Neumayer (36, SC Oberstdorf) auch ein Allgäuer eine Hand an der Medaille. „Die Trainer werden vor Ort entscheiden. Ich bin bereit“, sagt der Team-Senior. Auch im Mixed-Wettbewerb, bei dem jeweils zwei Männer und Frauen starten, rechnen sich die DSV-Athleten Chancen aus. Die Frauen um Bundestrainer Andreas Bauer aus Oberstdorf haben mit Olympiasiegerin Carina Vogt eine ungemein nervenstarke Athletin in ihren Reihen, mit der auch im Einzel zu rechnen ist. Ihre Kolleginnen Ulrike Grässler, Juliane Seyfarth und Katharina Althaus (SC Oberstdorf) haben das Potenzial für einen Sprung aufs Podest.
Bei den Ski-Langläufern liegt das Augenmerk auf den Staffeln und im Teamsprint der Frauen. In den Einzel-Entscheidungen werden zudem der Oberstdorferin Nicole Fessel Außenseiterchancen eingeräumt. Sie hat heuer die überragenden Norwegerinnen bereits erfolgreich herausgefordert und unter anderem mit Platz zwei in Davos für Furore gesorgt.
Text: Tobias Schuwerk/ Mit freundlicher Genehmigung des Allgäuer Zeitungsverlags