Raus aus der Isolation
Nach zahlreichen wetterbedingten Absagen war Johannes Rydzek über einen Monat kaltgestellt. Jetzt geht’s in Frankreich weiter – und der Doppelweltmeister ist heiß
Nein, langweilig ist ihm nie geworden. Doch an den Wochenenden vor dem Fernseher zu sitzen und zu sehen, dass bei den Skispringern und Langläufern „dann eben doch was ging“, empfand Kombinierer Johannes Rydzek dann schon als „sehr, sehr bitter“. Einen ganzen Monat lang war der 24-jährige Doppelweltmeister von Falun nun arbeitslos. Schneearmut, Wind und Wärme sorgten dafür, dass Rydzek und seine Kollegen aus der Zunft der Zweikämpfer über Wochen hinweg kaltgestellt waren. Kurz vor Weihnachten bestritten sie in Ramsau in Österreich ihren letzten Weltcup (siehe Infokasten). Seitdem gab es eine Absage bzw. Verlegung nach der anderen – und wilde Spekulationen, wo und wann welche Wettkämpfe überhaupt nachgeholt werden können. „Zum Glück gibt’s auf der Fis-Seite einen Weltcup-Kalender, den man direkt aufs Handy laden kann“, nahm Rydzek den Termin-Wirrwarr relativ gelassen. Anfangs genoss er die Freizeit sogar: „Über Weihnachten und Neujahr mal Zeit zu haben und nicht schon wieder auf gepackten Taschen zu sitzen, war auch mal ganz schön.“ Er habe es genossen, viel Zeit mit Familie und Freundin zu verbringen. Sogar die Vierschanzentournee habe er seit Langem mal wieder live im Oberstdorfer Stadion gesehen. „Das war schon eine wahnsinnig geniale Atmosphäre mit dem Sieg von Severin Freund.“ Nur auf der faulen Haut lag Rydzek aber nicht. Dafür sorgte schon Bundestrainer Hermann Weinbuch, der seine Schützlinge regelmäßig zu Trainingslehrgängen zusammenrief und in Seefeld und Predazzo hauptsächlich am Material und an der Sprungtechnik feilte. Auch Rydzek ist zuversichtlich, dass er am kommenden Wochenende, wenn der Weltcup im französischen Chaux-Neuve fortgesetzt wird, auf ein besser aufeinander abgestimmtes Setup von Ski, Bindung und Sprungschuh zurückgreifen kann. „Teilweise bin ich einen kleinen Schritt zurückgegangen, um wieder das positive Gefühl zu bekommen, das ich den ganzen Sommer über hatte“, verrät Rydzek, der Dominator des Sommer-Grand-Prixs, der dann im Winter aber mit den Rängen 19 und 11 in Lillehammer sowie 19 und 8 in Ramsau deutlich hinter seinen Erwartungen geblieben war. „Dass ich nach diesem eher unglücklichen Saisonstart jetzt nicht mit überschäumendem Selbstbewusstsein an den Start gehe, ist auch klar. Aber ich hoffe, dass ich wieder gut reinkomme in die Wettkämpfe.“ Gleichwohl baut Rydzek vor, sollte es nicht klappen: „Vielleicht brauch’ ich auch noch ein paar Wochen, bis ich
zur alten Form zurückfinde.“
Gute Erinnerungen an Wettkämpfe in Chaux-Neuve
An Chaux-Neuve hat Rydzek jedenfalls nur positive Erinnerungen. Seinen ersten B-Weltcup hat er im französischen Jura bestritten – und sich 2010 das Ticket für seine ersten Olympischen Spiele in Vancouver gesichert. „Die Schanze dort liegt mir, das ist so ein Mittelding zwischen Normal- und Großschanze.“ Dass in den nächsten Wochen ein
wahrer Wettkampf-Marathon auf ihn wartet, stört Rydzek nicht. „Wir haben jetzt lange genug gewartet und sind heiß.“ Seinen Heißhunger auf Schnee konnte Rydzek in der Zwangspause dann aber doch einmal richtig stillen: Zusammen mit den Alpin-Assen Stefan Luitz und Sebi Holzmann ging’s letzte Woche zum Freeriden nach Balderschwang. Im Tiefschnee glitten die Drei in Fire-and-Ice-Manier durch Wälder und über unverspurte Hänge. „Das hat super Spaß gemacht“, sagt Rydzek und spricht von einer tollen Abwechslung. „Trainiert hab’ ich jetzt genug. Ich bin heilfroh, dass es endlich weitergeht.“
Text: Thomas Weiß, Allgäuer Anzeigeblatt, 22.01.2016
Bild: Heiko Potthoff